Logopädie in jedem Lebensalter

Der diesjährige europäische Tag der Logopädie beschäftigt sich mit der Therapie für Menschen aller Altersstufen. Obwohl wir noch am Anfang unserer Ausbildung stehen, konnten wir dies in unserem ersten, zweiwöchigen Praktikum selbst erleben.

Logopädie: keine Frage des Alters

Genauso vielfältig wie die Erkrankungen sind auch die Patient*innen, die wir angetroffen haben. Nachdem man ein vierjähriges Mädchen verabschiedet hat, hat man als nächstes  einen 56-jährigen Herrn begrüßt. Oder es sitzt plötzlich eine Person vor einem, welche genauso alt ist, wie man selbst.

Eine Sache verbindet diese Menschen immer:

Die Logopädie ist ein Teil ihres Lebens geworden.

Therapie für Jung und Alt

Schon in unserem ersten Praktikum konnten wir einen Eindruck davon gewinnen, welche Variation das Arbeitsfeld der Logopädie mit sich bringt. Trotz des kurzen Aufenthalts von zwei Wochen in der logopädischen Praxis, trafen wir Patient*innen aus allen Altersgruppen. Jede*r von Ihnen brachte individuelle Hintergrundgeschichten und Ressourcen mit, doch bezüglich der Störungsbilder lassen sich gewisse Häufungen feststellen.

Eines der größten Schwerpunkte in den Kindertherapien ist das Feld der Phonetik und Phonologie. Lautanbahnungen verzögerter Laute, vor allem von Frikativen wie [z], [s] und [ʃ ], Lautfestigung und -differenzierung sowie die Anwendung der erlernten Laute auf Wort- und Satzebene bis hin zur Spontansprache sind nur ein paar Thematiken aus diesem Feld. Oft werden sie beispielhaft zur Beschreibung des logopädischen Arbeitsfeldes genutzt.

Weitere Störungsbilder, welche ebenfalls gehäuft auftreten, sind Entwicklungsstörungen des Lesens und Schreibens (LRS), Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) sowie Sprachentwicklungsstörungen bei Mehrsprachigkeit. Vor allem beim letzteren Themenfeld ist in den vergangenen Jahren eine steigende Tendenz zu vernehmen, was die Therapeut*innen vor neue, auch kulturelle Herausforderungen stellt.

Das Spektrum der Störungsbilder in den Erwachsenentherapien erscheint noch umfangreicher. Es ist interessant zu beobachten, dass neben den neurologischen Sprachstörungen, wie z.B. die Aphasie, mindestens genauso gehäuft Störungsbilder auftreten, die viele von uns bisher nur aus dem theoretischen Unterricht kannten. Dazu gehören unter anderem die Redeflussstörungen (Stottern, Poltern), die myofunktionellen Störungen sowie das umfangreiche Arbeitsfeld der Stimme.

Ist Therapie in jedem Lebensalter sinnvoll?

Aus der oberen Übersicht über häufig auftretende Störungsbilder lässt sich erahnen, weshalb wir in unserem Praxisalltag so viele, verschiedene Menschen angetroffen haben. Die Ätiologie jeder einzelnen Erkrankung ist umfangreich und oft unabhängig vom Lebensalter. In jeder Phase des Lebens kann somit Logopädie benötigt werden. Daher sollte das bloße Alter einer Person nicht ausschlaggebend für die Frage über die Sinnhaftigkeit der Therapie sein.

Vielmehr lässt sich durch die neu erworbene, praktische Erfahrung ein anderer, wichtiger Aspekt erkennen, welcher bei der Beantwortung der Frage im Vordergrund stehen sollte:

Die Motivation und Ziele der Patient*innen.

Dies macht die Entscheidung, ob eine Therapie als sinnvoll erachtet werden kann, zu einer individuellen, aber realistischen. Nur wenn die Motivation und Ziele beachtet werden, kann eine Therapie volle Wirkung entfalten.

Denn Therapie ist nicht nur das Wiederherstellen von Fähigkeiten und Funktionen. Auch die Beratung und präventive Maßnahmen sind in unserer heutigen Zeit ein Bestandteil von Therapie – und das ist in jedem Lebensalter von Bedeutung!

Ziele der logopädischen Therapie

Die logopädische Therapie umfasst ein weites Spektrum an Störungsbildern. Die Zielsetzung jeder Therapie ist immer patientenorientiert und wird individuell angepasst. Kaum ein*e Patient*in wird jemals die gleiche Therapie erhalten wie Andere, da sich die Ausprägung einer Krankheit sowie die damit einhergehenden Einschränkungen im Alltag der Patient*innen immer unterscheiden.

Beispielsweise wird ein Lehrender, der täglich vor großen Klassen sprechen muss, durch eine Stimmstörung anders eingeschränkt sein als ein Bäcker. Ebenso verhält es sich mit einem fünfjährigen Kind, welches Wortschatzdefizite aufweist und kurz vor der Einschulung steht.

Die Prävention steht in der logopädischen Therapie mit an erster Stelle, zum Beispiel bei einer myofunktionellen Störung. Hier wird mit der logopädischen Behandlung einer Zahnfehlstellung vorgebeugt, die sich durch eine falsche Zungenruhelage ergibt.

Bei Erwachsenen Patient*innen ist die Wiedereingliederung in den Alltag ein großes Ziel. Im Erstkontakt wird erfragt, was sich die/der Patient*in durch die logopädische Therapie erhofft. Hierbei steht die Teilhabe an unterschiedlichen Lebensbereichen im Vordergrund, exemplarisch der gemeinsame Spieleabend mit den Enkelkindern. Ist die logopädische Behandlung hierbei erfolgreich, führt es zu einer gesteigerten Lebensqualität und andere Teilhabeziele können mit den Patient*innen verfolgt werden.

Bei Kindern gilt es, die Sprechfreude spielerisch anzuregen und den Spracherwerb zu unterstützen. Zudem werden - je nach Störungsbild - Defizite ausgeglichen, zumeist um die Schulfähigkeit zu gewährleisten. Diese umfassen unter anderem den Wortschatz, die Grammatik, das Sprachverständnis, die phonologische Bewusstheit und den Redefluss.

Patienten, die an einer chronischen Krankheit leiden, können durch die logopädische Behandlung ihren gesundheitlichen Zustand verbessern und aufrechterhalten. Dies gilt auch für die Chronifizierung von Störungsbildern, wie der Aphasie nach einem Schlaganfall. 

Logopädie: was, wann und für wen?

Eines ist uns bereits am Anfang der Ausbildung klar geworden: Der Bereich der Logopädie ist ein großer Teil eines interdisziplinären Geflechts mit einem weitreichenden Geäst an zahlreichen Störungsbildern und dazu passenden Therapiewerkzeugen, der deutlich komplexer ist als zuerst vermutet. Dass dies nicht nur in der Theorie so erscheint, sondern auch im Berufsleben deutlich bemerkbar ist, erleben wir jeden Tag mit Freude in der Ausbildung.

Die facettenreichen Störungsbilder im Arbeitsfeld der Logopädie können in jedem Lebensabschnitt - von Kleinkind über Jugendliche bis hin zu Erwachsenen  - auftreten und eine professionelle Behandlung erfordern. Hierbei bietet der Beruf vielfältige Methoden, um einerseits die Funktion der Stimme, des Redeflusses, der Artikulation oder des Schluckens wiederherzustellen, zu trainieren oder Präventionsarbeit zu leisten. 

Die Intention einer logopädischen Behandlung ist grundsätzlich die Steigerung der Lebensqualität. Fokus und Ziel der Therapie sind individuell auf die Wünsche und den persönlichen Bedarf zugeschnitten und demzufolge nicht ausschließlich vom Störungsbild oder anderen Fakten wie dem Lebensalter abhängig.

Vor allem Aspekte der Teilhabe an den für Patient*innen wichtigen Lebensbereichen, bildet eine wesentliche Orientierung für die erfolgreiche Gestaltung der Therapiemaßnahmen.

 

Infobox

Phonetik und Phonologie: Während die Phonetik Laute als physiologisch-akustisches Ereignis untersucht, ist die Phonologie die wissenschaftliche Untersuchung der sprachlichen Verwendung von Lauten.

Aphasie: Ist eine erworbene Störung der Sprache aufgrund einer Schädigung im Gehirn, z.B. durch einen Schlaganfall. Es kommt häufig zu einer Störung des Verständnisses und der Kommunikation (Lesen, Sprechen oder Schreiben).

Myofunktionelle TherapieIn dieser wird die meist zu schwache Mund- und Gesichtsmuskulatur behandelt, z.B. bei Kindern mit einem dauerhaft offenen Mund.

Phonologische Bewusstheit: Ist die Fähigkeit, in der gesprochen Sprache eine Lautstruktur zu erkennen. Sie bietet die Grundlage für einen erfolgreichen Schriftspracherwerb. 

Belana F., Lara N. und Luca C., Logo 21

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