Jugendliche machen sich stark - 9. Jugendhilfekongress der Dachstiftung Diakonie

Um Regeln in der Jugendhilfe ist es beim 9. Jugendhilfekongress der Venito - Diakonische Gesellschaft für Kinder, Jugendliche und Familien gGmbH am vergangenen Samstag im Braunschweiger Veranstaltungszentrum Westand gegangen. „Welche Regeln verstehe ich nicht? Wo können wir uns beschweren und uns für uns selbst stark machen?“, umriss Theresa-Anastasia Böcke vom Careleaver e.V. zum Auftakt die Idee des Kongresses, der jährlich vom Handlungsfeld „Kinder, Jugend und Familie“ der Dachstiftung Diakonie organisiert wird. 200 Jugendliche von Hamburg bis zum Harz, von Sulingen bis Braunschweig waren gekommen und diskutierten mit Fachleuten ihre Themen unter dem Motto „Schimpf dich aus und mach was draus!“

Offenkundig beeindruckte die Jugendlichen und Mitarbeitenden besonders Gastrednerin Valeria Anselm aus Stuttgart, die aus ihrem Buch „Das ist (nicht) mein Zuhause“ las und Erinnerungen aus ihren sechs Jahren in einer Wohngruppe der Jugendhilfe und reflektierende Gedanken teilte. In Workshops las Valeria Anselm aus dem Kapitel „Aufmerksamkeit“ ihres Buches, das tiefe Einblicke in die Jugendhilfe gewährt. Welche Aufmerksamkeit wollen Jugendliche von ihren Betreuungskräften und welche auch nicht? Ihre Bedürfnisse und die von Fachkräften seien oft ähnlich, so die 21-Jährige. Konkret spielt zum Beispiel eine große Rolle, wie ein Mitarbeitenden-Büro in einer Wohngruppe (WG) gestaltet ist: Ist es gemütlich mit Sofa und dürfen sich Jugendliche hier gerne aufhalten oder nicht. „Das Buch ist super“, meinte eine Mitarbeiterin. „Ich musste ein bisschen heulen“, so eine andere, die selbst als Jugendliche zeitweise in einer WG lebte. „Ich fand es mega inspirierend“, gab eine Jugendliche an.


Theresa-Anastasia Böcke berichtete in einem anderen Workshop von ihrer Arbeit im Vorstand des Vereins „Careleaver e.V.“, der sich um Jugendliche nach der WG-Zeit kümmert. Was brauche ich, dass ich gehört werde in der Familie, in der WG, der Gesellschaft? Dieser Frage wurde gemeinsam mit den jungen Menschen nachgegangen. Eine Forderung aus dem Workshop: Lehr- und Betreuungskräfte müssen besser und verpflichtend informiert werden über die Jugendhilfe.


Antje Wingert und Carolin Koziol vom Braunschweiger Kinderschutzbund sprachen mit Jugendlichen über einzelne UN-Kinderrechtsparagrafen und ließen sie dazu Plakate gestalten. Das Team „Deine Meinung“ vom Venito-internen Beschwerdemanagement diskutierte darüber, was passieren muss, damit eine Beschwerde gut läuft. Frank Dorsch-Irslinger und Denise Kordt von einer der vier Ombudsstellen in Niedersachsen für Beschwerden aus der Jugendhilfe sagten, sie seien unabhängig, neutral und streng vertraulich. Sie informieren die Jugendlichen über ihre Rechte und suchen gemeinsam nach Lösungen, etwa im Umgang mit dem Jugendamt – mit 70 bis 80 Prozent Erfolg. Workshop-Teilnehmende mit der Uni Hildesheim forderten eine übergeordnete Stelle, die bei Brüchen im Bildungsweg unterstützt. 


In einem Kreativworkshop wurden Steine bemalt, in einem anderen Collagen und Schriftzüge gestaltet. In der benachbarten Fliegerhalle konnten zudem einige Jugendliche bis zu 10 Meter hoch klettern. In einer offenen Diskussionsrunde zum Abschluss wurde gesammelt, wie die Ideen der Jugendlichen mehr Öffentlichkeit bekommen, etwa durch Internetforen, Podcasts, kleine Filme und Influencer:innen auf Social Media.

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